“Apologetik ist nicht alles, aber…”

Paul Austerhuber von Shine Österreich im Gespräch mit Gernot Zeilinger.

Paul Austerhuber leitet Shine, den Zweig für Jugendarbeit bei Campus für Christus in Österreich. Zusätzlich ist er Vorsitzender der österreichischen Evangelischen Jugendallianz und leidenschaftlicher Jugendleiter. Nachdem er als 

16-Jähriger zum Glauben gekommen war, begann er mit 17, Jugendarbeit zu machen und hat seitdem nicht aufgehört, Jugendliche für Jesus zu begeistern.

 

Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Gründe, Paul, warum heute Jugendliche für Jesus begeistert werden? 

Jugendliche stellen sich drei zentrale Fragen:

Die erste ist die Frage nach Identität, auf die wir im christlichen Glauben eine wahnsinnig gute Antwort haben: Du kannst eine Identität in deiner Beziehung zu Gott finden und du kannst in die Familie Gottes adoptiert werden. Du hast eine Identität, in der Gott, der Schöpfer von Himmel und Erde, dir Wert zuspricht. Und gerade für Jugendliche, die in ihrer Identitätsfindungsphase sind und deren Identität davon bestimmt wird, was andere über sie sagen, ist es so wichtig, dass sie ein Fundament  in einer Identität finden, die von Gott zugesprochen wird. 

Die zweite Frage ist danach, Teil einer Gemeinschaft zu sein, wo sie ehrlich und offen sein können und nicht verurteilt werden, wenn sie über das, was sie im tiefsten ihrer Seele bewegt, reden. Und da denke ich, ist die christliche Sicht von Gemeinschaft total wichtig. Wie Paulus im Römerbrief sagt: „Es gibt keine Verurteilung mehr für die, die in Christus Jesus sind.“

Auf dieser Basis von Vergebung und Versöhnung können sie eine Gemeinschaft finden, in der sie mit dem, was in ihrem Leben gebrochen ist, einfach ehrlich sein können und Gebet empfangen können. Ich glaube, eine solche Gemeinschaft ist total einladend und das, was sie in ihrem tiefsten Inneren brauchen. 

Und die dritte Frage von Jugendlichen ist nach Sinn und einem Ziel im Leben. Wenn wir in den christlichen Glauben reinschauen, dann finden wir Sinn und Ziel in unserer Beziehung zu Gott: Einem Gott, der uns sendet, um in der Welt einen Unterschied zu machen. Ich glaube, das ist total wichtig. Jugendliche wollen etwas bewegen, sie wollen etwas verändern. Sie wollen die Welt verändern, aber sie merken  auch, dass sie sehr eingeschränkt sind. Aber da ist ein Gott, der sie einlädt, als seine Gesandten in dieser Welt unterwegs zu sein, um seine Liebe zu spiegeln, um Leute einzuladen, in der Beziehung zu Gott einen tieferen Lebenssinn zu finden. 

Und deswegen denke ich – gerade in Bezug auf Identität, Gemeinschaft und Sinn und Ziel im 

Leben – gibt das Christentum echt die besten Antworten für das, was Jugendliche suchen. 

 

Was denkst du sind die größten oder die wichtigsten Faktoren, damit Jugendliche im Glauben wachsen können?

Ich glaube, dass jüngerschaftliche Begleitung unerlässlich ist. Das heißt, Jugendliche sollen nicht nur eingeladen werden, an irgendwelchen Programmen teilzunehmen. Der Jugendleiter ist nicht primär dafür da, die Jugendlichen zu entertainen, sondern er ist dafür da, sie zu coachen, damit sie ihr Potenzial entwickeln und in ihre Berufung hineinwachsen.

Dafür müssen Jugendliche eine enge Begleitung erleben, in der sie ihre Gaben und Fähigkeiten entdecken und in Gottes Auftrag und Berufung für ihr Leben hineinwachsen können. Und wo sie selbst lernen, diesen Glauben, den sie in ihrem Leben erleben, dann wieder anderen weiterzugeben. Der Jugendleiter ist dafür da, ein Umfeld zu schaffen, in dem das stattfinden kann.

 

Jetzt in die andere Richtung gefragt: Was sind Hauptgründe, warum Jugendliche dann ihren Glauben verlieren? 

Begleitung ist zentral, um ein stabiles Fundament zu haben. Wo das fehlt, driften Jugendliche leicht ab, wenn anderen Dinge im Leben lauter nach Aufmerksamkeit rufen. Auch, wenn Jugendliche in der Schule Dinge lernen, die sie mit dem, dass sie in der Kirche hören, nicht vereinbaren können und  kein solides intellektuelles Fundament haben, kann es sein, dass ihr Glaube zerbricht: Da ist Begleitung gut, um ein Gegengewicht zu schaffen. 

Außerdem sehe ich bei Jugendlichen Zweifel aufkommen, wenn sie das, was sie denken, erleben zu müssen, nicht erleben. Sie wollen Gott fühlen, weil Gefühle und Erleben ein Element des Glaubens sind. Aber, wenn sich das dann nicht so einstellt, wie sie es erwarten, kommen bei vielen Jugendlichen Zweifel auf. Da ist es zentral, Jugendlichen beizubringen, dass Gefühle als Glaubenslokomotive kein stabiles Fundament ergeben. Man muss seinen Glauben an das, was Gott in der Bibel als wahr offenbart hat, hängen. Das stabilisiert den Glauben.

 

Als Shine rüstet ihr auch Jugendleiter für ihre Arbeit aus. Was brauchen Jugendleiter, um mit den Fragen ihrer Jugendlichen gut umgehen zu können?

Jugendleiter sollten die wichtigsten Fragen, die Jugendliche haben, selbst gründlich durchdenken. Aber Jugendleiter sind nicht die absoluten Experten  auf dem Gebiet. Da finde ich euer Angebot bei Profundum total hilfreich.

Eine Frage, die immer wieder kommt, ist: Wie denkst du zu Homosexualität? Für mich persönlich tue ich mir manchmal schwer, da eine gute Antwort zu geben. Dann ist es cool, auf den Profundum YouTube-Kanal verweisen zu können, wo es ein Gespräch mit jemanden gibt, der gleichgeschlechtlich empfindend und Christ ist und der sagt, wie er über das Thema denkt. Dann kann ich den Jugendlichen sagen: “Schaut euch das Video an und dann kommen wir darüber ins Gespräch.” So habe ich eine gewisse Basis, auf der man in ein Gespräch kommen kann. Einer, dem ich das Video weitergegeben habe, hat dann am Schluss, nachdem er da reingeschaut hat und mit mir geredet hat, gesagt: “Ich stimme zwar nicht mit allem überein, aber ich bin draufgekommen, Christen sind nicht homophob.” Das heißt: Das hat eine positive Dynamik ins Gespräch reingebracht. Und da finde ich es gut, als Jugendleiter seine eigene Begrenzung auch zu wissen und gleichzeitig die Ressourcen zu nutzen, die zur Verfügung stehen. 

 

Du hattest die Gründung von Profundum und von unserer Apologetics Academy angestoßen. Warum, denkst du, braucht es Apologetik in der Jugendarbeit? 

Fangen wir mit den Begrenzungen der Apologetik an. Ich glaube, wenn wir mit Apologetik probieren, Menschen vom christlichen Glauben zu überzeugen, dann gehen wir in die Irre. Junge Menschen werden gläubig, weil sie Identität, Gemeinschaft, Sinn und Ziel finden. Aber, wenn Leute sich auf den Weg machen, den christlichen Glauben zu entdecken, dann gibt es auch gewisse intellektuelle Hindernisse, die sie davon abhalten, zu sagen: “Ja, ich möchte in meinem Leben Jesus nachfolgen”. Ich glaube, da ist Apologetik wichtig. Apologetik ist zentral, wenn es darum geht, Glaubenshindernisse von Leuten auszuräumen.

Apologetik ist auch wichtig, um ein stabiles intellektuelles Fundament aufzubauen. Glauben hat eine existenzielle, aber auch eine intellektuelle Komponente. Ein intellektuelles Fundament ist wichtig, damit der Glaube stabil steht und damit ich, wenn ich im Gespräch bin, weiß, warum ich glaube und worauf mein Glaube intellektuell basiert. 

 

Was denkst du, sind die wichtigsten Fragen von Jugendlichen zum christlichen Glauben?

Die Frage, die ich wahrscheinlich in letzter Zeit am häufigsten gestellt bekommen habe, ist die Frage nach der Exklusivität: Warum sagt das Christentum, dass es nur durch Jesus einen Weg zu Gott gibt? Was ist mit denen, die das nie gehört haben? Das ist eine Frage, die sehr präsent ist. Auch Sexualethik und das Thema LGBTQIA+ sind in unserer Kultur sehr groß und sehr präsent. Da braucht es gute Antworten. Ein anderes Thema, das mir immer wieder begegnet, ist das Thema Gewalt im Alten Testament. Das sind die zentralen Fragen. Und da finde ich es auch cool, Ressourcen zu haben, wie auf eurem YouTube-Kanal, wo dann Experten im Gespräch diese Fragen behandeln, und Jugendliche und junge Erwachsene anhand dieser Gespräche für sich das Thema reflektieren können.

 

Letzte Frage: Was braucht es damit Jugendliche in ihrem Glauben sprachfähig sind? 

Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass Jugendliche sprachfähig werden. Der Punkt ist ja, dass Glaube nicht nur innerhalb der Kirchenmauern gelebt werden soll, sondern wir wollen Menschen außerhalb mit dem Evangelium erreichen. Da ist es wichtig, dass Jugendliche lernen, dass sie zwar nicht die überzeugendsten Argumente haben müssen, aber ein gewisses Gespür dafür entwickeln müssen, wie sie Fragen beantworten können. Ein Mitschüler stellt zum Beispiel die Frage: “Glaubst du, dass Menschen, die nicht an Jesus glauben, alle in die Hölle kommen?” Wenn der Jugendliche einfach „Ja“ antwortet, dann ist das vielleicht eine wahre Antwort, aber damit gewinnt er sein Gegenüber im Normalfall nicht. Jugendliche lernen, gute Rückfragen zu stellen und zu beachten, wie sie die Antwort gut und schön formulieren können, ohne mit der Wahrheit zurückzuhalten, so dass ihr Gegenüber tiefer darüber nachdenken will. Wenn Jugendliche selbst sprachfähig sind, mit ihren Mitschülern den Glauben zu entdecken, ist das für mich der Idealfall. Apologetik ist nicht alles, aber sie ist ein wichtiger Teil davon, in einer postchristlichen, postmodernen Kultur Glauben zu kommunizieren.

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