Jesus und Nietzsche: Woher kommt der Sinn des Lebens?

Nietzsche. Der große Philosoph und Nihilist. “Gott ist tot!” Das ist doch ganz klar.

Ich habe bereits mit verschiedensten Leuten über Nietzsche gesprochen. Im Gespräch mit Atheisten und Agnostikern wird immer wieder dieses Argument gebracht. Philosophen wie Nietzsche haben doch längst die Existenz Gottes und den Glauben widerlegt. Ist das aber wirklich so? Um was handelt Nietzsche seine Philosophie überhaupt? Wie ist die Phrase “Gott ist tot” zu verstehen?

Die Philosophie Nietzsches

In einem unserer letzten Podcast-Folgen hat sich „Phrasendrescher“, ein deutscher Philosoph und YouTuber, ausgiebig über Nietzsche geäußert. Ich möchte kurz die philosophischen Gedanken in aller Kürze zusammenfassen:

Perspektivismus: Die Welt kann immer nur aus einer Perspektive, das heißt mit einer Interpretation, gesehen werden. Am einfachsten kann man dies beschreiben mit einem Objekt, z.B. einer Vase, das mitten auf einem Tisch steht. Ich stehe auf der einen Seite vom Tisch, ein Freund auf der anderen Seite. Wenn ich die Vase anschaue, sehe ich klar, dass die Vase grün ist. Mein Freund behauptet aber, dass die Vase rot ist. Die Vase, die wir beobachten, ist zwar dieselbe, aber woher weiß ich, ob die andere Seite von der Vase nicht tatsächlich rot ist? Oder vielleicht habe ich auch nur eine Rot-Grün-Schwäche und kann die Farbe nicht richtig unterscheiden. Perspektivismus bedenkt also, dass ein Beobachtungsgegenstand verschieden betrachtet werden kann.

Wille zur Macht: Obwohl hier Nietzsche sehr vieldeutig verstanden werden kann, nimmt “Phrasendrescher” an, dass Nietzsche hier eine Idee des Lebens beschreibt. Wo andere Denker wie Schopenhauer den Willen als ein bedürftiges Wesen beschreiben, dass immer befriedigt werden muss, außer es betrachtet Kunst und entkommt diesem Verlangen, nimmt Nietzsche an, dass dies alles sinnlos sei. Stattdessen sollte der Mensch den Willen als Willen zur Macht erkennen und diesem Willen ein klares “Ja” geben. Dieser Wille ist nicht da um einen Kampf ums Leben zu kämpfen, sondern um im Leben für Macht und Stärke zu kämpfen.

Übermensch: Dieser Wille zur Macht konkretisiert sich im Übermenschen. Der Übermensch wird bei Nietzsche nicht als eine Art Fortschritt der Menschheit verstanden, sondern eher als Fortschritt innerhalb des einzelnen Menschen. Dieser Begriff sollte ausdrücken, dass ein Mensch es “hin-über” geschafft hat, auf eine Seite, wo er diesen Willen zur Macht und diese Lebensbejahung ausleben kann. In diesem Sinne kann es als eine Art Selbstbereicherung oder Selbstüberwindung verstanden werden.

 

Seine Philosophie umfasst natürlich noch viel mehr Gedanken und Konzepte, jedoch sollten diese drei Punkte für diesen Artikel einmal reichen. In diesem Sinne auch eine Empfehlung Nietzsche selber zu lesen und herauszufinden, was dieser geniale Denker überhaupt sagt.

Nietzsche vs. Jesus

Sind Nietzsches philosophische Gedanken im Widerspruch mit den Lehren von Jesus? Haben wir als Christen ernste Sorgen, wenn uns jemand mit Nietzsche entgegentritt?

Ich glaube, dass beide Fragen mit einem klaren “Nein” beantwortet werden können. In erster Linie denke ich da an den Perspektivismus, der sich mit Jesus Lehren einwandfrei verbinden lässt. Jesus ist sich der Komplexität des Lebens bewusst. Als Jesus die blutflüssige Frau heilt, als er den Gelähmten am Sabbat heilte oder als er das Essen für die 5000 vermehrte, wusste Jesus um die Komplexität des Lebens und die verschiedenen Perspektiven, die sein Handeln haben werden, bescheid. Er sieht die Pharisäer und die Schriftgelehrten und ist auf ihre Reaktion vorbereitet, er kennt bereits die Sicht der großen Volksmenge, die ihm zusieht und er ist sich auch ganz im Klaren, was dieses Wunder mit den Geheilten anstellt. Doch vor allem ist ihm bewusst, dass eine Perspektive mehr gilt, als alle anderen: die göttliche Perspektive. Denn er sieht die Menschen-Perspektive und merkt, wie ausweglos die Nachfolge für die Menschen ist, doch er spricht seinen Jüngern die göttliche Perspektive zu:

Was unmöglich ist bei Menschen, ist möglich bei Gott. (Lk 18,27)

Und wenn wir uns die Konzepte vom Willen zur Macht und den Übermenschen vergegenwärtigen, dann merkt man schnell, dass Jesus diese Person des Überwinders verkörpert. In ihm finden wir eine Person, die voll und ganz Ja zum Leben sagt. Die sich der Nichtigkeit der weltlichen Belangen bewusst ist und dennoch unendlich viel Sinn im Leben findet, ja sogar das Leben selbst verkörpert. Nun kann man zwar streiten, ob sein Verhalten speziell bei der Kreuzigung ein Akt der Schwäche und der Ohnmacht war. Dagegen kann man aber gleich auch einwenden, dass die Auferstehung dann die ultimative Machtergreifung sei und ihn nicht nur als Überwinder des Lebens, sondern auch als Überwinder des Todes aufstellt.

Gott ist (nicht) tot!

Was drückt nun also diese Aussage “Gott ist tot” eigentlich aus und was will uns Nietzsche damit sagen? Phrasendrescher schildert uns im Interview, dass es eindeutig nicht die Idee ist, dass wir Gott beseitigt haben oder dass er nicht existiert. Es ist schlechthin eine Feststellung, die Zarathustra (ein Art Prophet, der Nietzsche geschaffen hat, um seine Philosophie zu schildern) äußert, dass viele Leute nicht mehr an Gott glauben und langsam aber sicher diese moral- und sinnstiftende Grundlage verloren geht. Und daraufhin bespricht eben Zarathustra den Sinn des Lebens mit seinen Jüngern.

Ist Gott nun also tot? Ich antworte bei dieser Frage immer gerne Ja und Nein. Ja, Gott/Jesus ist gestorben. Ja, der christliche Gott nimmt an Bedeutung in unserer Gesellschaft ab. Ja, für viele Menschen ist Gott nicht existent oder relevant.

 

Aber nein, er ist nicht tot geblieben, er ist wieder auferstanden. Nein, er ist wahnsinnig wichtig für die Zukunft unserer Gesellschaft. Nein, denn er trägt den Sinn des Lebens in sich. Nein, denn bei Gott finden wir ewiges Leben und können dieses Leben überwinden.

Das habe ich euch gesagt, damit ihr Frieden habt in mir. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. (Joh 16,33)

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